Stran­ge Days

Kathryn Bigelows atemlose Millennium-Dystopie hat über die Jahre nichts von ihrer Faszination verloren. Eine verstörende Reise in die virtuelle Realität. Kathryn Bigelow's breathless millennium dystopia has lost none of its fascination over the years. A disturbing journey into virtual reality. 

Los Angeles, Ende Dezember 1999: In der Stadt tobt der Mob, die Polizei hat überall Strassensperren errichtet. Dem etwas verwahrlosten ehemaligen Cop Lenny Nero (Ralph Fiennes) ist nicht nach Millenniumsfeier zumute. In den Hinterzimmern zwielichtiger Bars dealt er mit sogenannten Clips. Dabei handelt es sich um die auf Minidiscs gespeicherten Aufzeichnungen von Sinneseindrücken Dritter, die mittels entsprechender Technologie sowie einer Art Headset im Hirn eines Menschen mitgeschnitten und in dem eines anderen abgespielt werden. Wer einen Clip konsumiert, kann etwa einen bewaffneten Überfall, den Sprung von einem Hochhaus oder wilden Sex erleben. Als Nero wiederholt Aufzeichnungen von drastischen Gewaltverbrechen zugespielt werden, gerät er immer tiefer in eine Schattenwelt voller Paranoia, (Polizei-)Gewalt und Rassenhass, aus der er erst dank der toughen Mace (Angela Bassett) herausfindet.

Wie es sich für Konsument:innen des virtuellen Bilderstimulans «Squid» anfühlt, wenn ein Clip Adrenalinschübe auslöst, zeigt die Eröffnungssequenz von STRANGE DAYS. Mit ihrer eigenwilligen filmischen Utopie ist Kathryn Bigelow einer der aufregendsten und visionärsten Streifen der Neunzigerjahre gelungen, der auf einer ebenso simplen wie grandiosen Idee beruht und irgendwo zwischen Endzeit-Fresko, Neo-Noir und Politthriller anzusiedeln ist.